Die Sucht ist ein komplexes Thema und bedarf einer holistischen Betrachtung. Sie zeigt sich in einem zwanghaften, unkontrollierten Verlangen nach bestimmten Substanzen, wie z.B. nach Medikamenten, Alkohol, Nikotin, Kokain oder anderen weichen und harten Drogen. Aber auch zwanghaftes Verhalten, wie z.B. der regelmäßige Besuch im Kasino, die unstillbare Lust am Kaufen, die exzessive Handynutzung oder das übermäßige Konsumieren von sozialen Medien und auch Pornographie zeichnen ein Suchtverhalten aus. Die Sucht hält den betroffenen Menschen wie ein Krake fest. Trotz negativer Konsequenzen für den Alltag ist der Ausstieg aus dieser Abwärtsspirale oft ohne Hilfe von außen schwer bis unmöglich. Der betroffene Mensch leidet und fühlt sich der Sucht wie ausgeliefert – oft unbewusst.
Die Sucht kommt schleichend und wird in ihrem anfänglichen Stadium oft nicht bemerkt. Sie wird nicht bemerkt, weil es im nicht pathologischen Sinne zur Normalität gehört, dass man Medikamente nimmt, dass man Alkohol trinkt, raucht, sich neue Klamotten kauft, das Handy nutzt und im Internet surft. Solange der Mensch die Kontrolle über sein Verhalten hat und sich selbst und anderen nicht schadet, ist alles in Ordnung. Steigert er aber die Dosis und erreicht einen Zustand, aus dem er nicht mehr zurück kann, beginnt die pathologische Sucht.
Der Weg aus der Sucht ist nicht leicht. Oft ist dem Betroffenen nicht wirklich klar, in welcher Situation er sich befindet und es dauert manchmal lange, bis er überhaupt einsieht, dass er süchtig ist. Ist aber der Punkt der Einsicht erreicht, kann die (Er)Lösung kommen.
Die Sucht ist medizinisch betrachtet von vielen Autoren in unzähligen Büchern ausführlich beschrieben und analysiert. In diesem Artikel möchte ich den Blick auf die Sucht richten, der weniger die Pathologie im Fokus hat, sondern im menschlichen Kern die Suche nach sich selbst.
Die Sucht ist die Suche nach verlorenen Anteilen von sich selbst.
Die Sucht ist die Suche nach verlorenen Anteilen von sich selbst.
Aber der Reihe nach…
Die Substanzsucht oder das süchtige Verhalten der Betroffenen sind nur die Oberfläche und Folge der Sucht. Sie sind die äußeren Symptome einer oder mehrerer in der Psyche entstandenen Kränkungen. Diese Kränkungen stammen in der Regel aus der Kindheit und basieren auf dem, was dem Kind vorenthalten oder verboten wurde. Die Lieblosigkeit der Eltern, die fehlende Geborgenheit in der Familie, der Mangel an Wertschätzung, die Bestrafung für Wutausbrüche sind Beispiele für einen guten Nährboden für spätere Sucht. Die Regel dafür lautet: „So wie du (Mama, Papa) zu mir als Kind, so ich später zu mir als Erwachsener.“ Was das Kind von den Eltern nicht bekommen hat, kann das Kind später als Erwachsener in sich nur schwer finden. Was dem Kind verboten wurde, verbietet sich das Kind später als Erwachsener selbst. Wenn du mehr über diesen Prozess erfahren möchtest, empfehle ich dir den Artikel: „Bildung der menschlichen Psyche“.
Das Problem kam von außen, es muss also im Außen gelöst werden – richtig?
Ein Kind ist in den ersten Jahren von den Eltern im höchsten Maße abhängig. Gleichzeitig hat das Kind aber auch Bedürfnisse z.B. nach Liebe, Wertschätzung, Anerkennung, Geborgenheit, Nähe (im körperlichen und emotionalen Sinne). Die Erfüllung dieser Bedürfnisse fordert das Kind bei den Eltern ein. Die Art und Weise wie Eltern auf die Bedürfnisse des Kindes reagieren, haben einen enormen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes. Wie im Artikel „Bildung der menschlichen Psyche“ erläutert, ist die Entwicklung der Psyche eines Menschen ein Abgleichsprozess zwischen dem mitgebrachten Selbst und der Umwelt. An dieser Stelle ist es wichtig zu verstehen, dass Kinder nicht „leer“ auf die Welt kommen. Aus der energetischen Sicht hat ein Kind alles und fühlt auch alles. Und da die Abwehrmechanismen, Traumata und Abspaltungen in der Psyche des Kindes noch nicht angelegt sind, könnte man sagen, dass die emotionale Ebene der Babys viel offener ist als die der Erwachsenen. Die Kinder zeigen ihre Liebe und erwarten eine liebevolle Antwort der Eltern. Wird die Liebe entsprechend positiv „beantwortet“, speichert das Kind die Liebe ab als: „Meine Liebe ist wertvoll.“ Wird sie durch die Lieblosigkeit der Eltern negativ beantwortet, stuft das Kind die eigene Liebe herab. Das Ergebnis dieses Prozesses ist eine Spaltung in der eigenen Liebe. Ab da scheint das Abgespaltene wie verloren zu sein und die Suche nach den fehlenden Teilen beginnt. Um die eigene Liebe vollständig zu etablieren, braucht das Kind eine positive, liebevolle Reaktion der Eltern. Da aus der Sicht des Kindes die Reaktion von außen kommt, ist das Kind von der Reaktion der Umwelt abhängig. Das Außen sind am Anfang Mama und Papa. Im erwachsenen Alter ersetzen das Außen Freunde, Kollegen, Vorgesetzte, Nachbarn, der Partner, die Partnerin aber auch der Staat und die Kirche als Institutionen können diese Rolle übernehmen.
Während der Abhängigkeit von den Eltern sucht das Kind die Bestätigung der eigenen Liebe, Wertschätzung und Anerkennung bei den Eltern. Die positive Bestätigung kommt oder sie kommt nicht. Alles, was Eltern am Kind bewusst oder unbewusst ablehnen, lehnt das Kind bei sich ab. Das, was das Kind an sich als Ablehnung erfährt, trennt es von sich und „schiebt“ es in den eigenen Schatten (siehe Begriffserklärungen/Schatten). Es will das nicht mehr sehen und nicht mehr fühlen. Der Schatten wird zur Mülltonne der eigenen und von außen ungeliebten Anteile. Ein Ich spaltet sich vom Nicht-Ich ab. Das Nicht-Ich ist aber nichts Fremdes. Es gehört zum Ich dazu aber durch die Interaktion mit der Umwelt wurde es als nicht in Ordnung „gekennzeichnet“, abgelehnt und in den Schatten gestellt.
Je stärker das Gefühl in der Kindheit war, unerwünscht zu sein, umso stärker später der Drang zur Sucht.
Die abgespaltenen Nicht-Ich-Anteile „wollen“ zum Ich zurück. Ihre Rufe werden im Inneren des Menschen immer lauter. Irgendwann sind sie so „laut“, dass der Mensch anfängt, sie wahrzunehmen. Das Gefühl, dass etwas fehlt, dass etwas nicht in Harmonie ist, lässt sich nicht mehr wegdrücken. Die Betroffenen können nach Außen einen sehr ausgeglichenen, glücklichen Eindruck machen. Trotzdem tief im Inneren spüren sie eine latente Unruhe und Unzufriedenheit. Das erzeugt ein Unwohlgefühl. Dieses Gefühl ist unangenehm, hindert den Menschen am reibungslosen Funktionieren und „muss“ weg. Es muss kompensiert werden.
Das „Problem“ (die Spaltung in Ich und Nicht-Ich) entstand durch die Interaktion mit dem Außen. Also fängt der Mensch an, im Außen nach der „Lösung“ zu suchen.
Fehlt ihm z.B. die Anerkennung, wird er alles Mögliche unternehmen, um die Anerkennung zu bekommen. Das könnte z.B. zu einer Arbeitssucht führen. „Ich suche Anerkennung, also arbeite ich hart und viel, damit mir im Außen die Anerkennung gespiegelt wird.“ Auf der Suche nach der Anerkennung im Außen, macht sich der Mensch wieder von den Anderen abhängig. Er kann die eigene Anerkennung in sich nicht spüren, also braucht er wieder das Außen, um sie von dort zu bekommen. Auf der Suche nach Liebe, Nähe und Stabilität gehen viele Menschen Beziehungen ein und erwarten die Erfüllung ihrer Bedürfnisse vom Partner oder Partnerin. Viele Männer heiraten Frauen, die die Eigenschaften der eigenen Mutter haben, um endlich von der „Mama“ Liebe zu bekommen. So ähnlich gilt das für viele Frauen. Sie heiraten Männer, die die Eigenschaften des eigenen Vaters haben, um endlich vom „Papa“ die Liebe zu bekommen. Beziehungen, die auf dieser Basis entstanden sind, scheitern, früher oder später.
Die Suche nach der Lösung im Außen stillt den inneren Mangel nicht.
Das Außen liefert viele Angebote und man kann ins Außen flüchten und für eine gewisse Zeit das Unwohlgefühl wettmachen und den inneren Mangel kompensieren. Die Kompensation für fehlende Liebe und Wertschätzung kann z.B. der Alkohol sein. Soziale Medien und online „Freundschaften“ können die eigene Sippe und fehlende familiäre Geborgenheit kompensieren. Internet Likes können die eigene Minderwertigkeit ausgleichen. Drogen können eine temporäre Außenlösung für die belastende Dominanz der Eltern, familiäre Traumata oder den Verlust der eigenen Integrität sein.
Das Außen kann die Lösung nicht liefern. Und solange der betroffene Mensch die (Er)Lösung im Außen sucht, bleibt er im Außen gefangen und von den Angeboten im Außen abhängig.
Ich wage die Aussage: Süchtig (suchend) nach irgendetwas sind wir alle. Der entscheidende Punkt ist: Wer beherrscht wen? Die Sucht ist energetisch betrachtet ein Wesen und wie alles Lebendige will sie auch nicht sterben. Und so ist die Sehnsucht der Sucht das Bestehen des Problems. Sie täuscht und lenkt ab. Sie bedient sich im Außen und präsentiert dort die vermeintliche Lösung (Einnahme einer Substanz und/oder ablenkendes Verhalten, wie shoppen gehen, Porno schauen, ins Kasino gehen).
Solange der Mensch shoppen geht, weil er neue Klamotten wirklich braucht, ist er nicht süchtig. Muss er shoppen gehen und etwas Neues kaufen, obwohl die Schränke platzen, fängt die pathologische Sucht an. Ab da beherrscht die Sucht den Menschen.
Weit verbreitete Süchte sind: Alkoholsucht, Medikamentensucht, weiche und harte Drogensucht, Nikotinsucht, Pornosucht, Mediensucht, Glückspielsucht, Kaufsucht, Esssucht. Auch der innere Druck nach dem „sich immer wohlfühlen wollen“ hat starke Tendenzen, eine Sucht zu erzeugen. Und egal welche Sucht man nimmt, alle Süchte sind die Folge der unerfüllten Suche nach den abgespaltenen und verlorenen Anteilen von sich selbst.
Was ist die Lösung?
Es sei zuerst erwähnt, dass das Folgende keine Anleitung ist, eine Suchterkrankung im medizinischen Sinne zu behandeln und vor allem nicht, wenn die Sucht ein fortgeschrittenes Stadium erreicht hat. Es ist eine Hilfestellung auf dem Weg der Selbsterkenntnis und der Suche nach dem authentischen, vollständigen Ich.
Das authentische Ich hat in der Zeit der Orientierung in dieser Welt (in der Kindheit) viel zum Nicht-Ich gemacht und somit verloren und in den Schatten gestellt. Der Schatten ist ein Teil der menschlichen Psyche und trägt
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- all das, was man dem Menschen verboten hat,
- all das, was man ihm vorenthalten hat,
- all das, was ihn gekränkt hat und
- all das, was nicht sein durfte.
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Obwohl sich das viele selbst nicht zugestehen wollen, sind die meisten Menschen bewusst oder unbewusst auf der Suche nach dem, was sie in der Kindheit verloren und in den Schatten gestellt haben. Auf dem Weg zu sich selbst ist es wichtig, anzuerkennen, dass man Bedürfnisse und Gefühle hat und dass Bedürfnisse und Gefühle etwas Menschliches und Natürliches sind. Es ist auch wichtig, sich der eigenen Bedürfnisse im Klaren zu sein und den Umgang mit den eigenen Gefühlen zu überprüfen. „Gibt es Gefühle, die mir in der Kindheit verboten wurden oder für die ich bestraft wurde, wie z.B. die Wut?“ Darf ich alle meine Gefühle zeigen? Wenn nicht, welche sind das?“ Es ist sehr ratsam bis notwendig, sich mit der eigenen Kindheit und der eigenen Ursprungsfamilie (Eltern, Großeltern, Geschwister) auseinander zu setzen, um zu verstehen: „Wie bin ich zu dem Menschen geworden, der ich heute bin?“ Sind diese Schritte getan, kommt der entscheidende Schritt: Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Schatten. Im menschlichen Schatten liegen die verlorenen Perlen verborgen, die der Mensch im Außen sucht aber dort nicht finden kann.
Ein Gleichnis:
Ein Mann geht nachts eine Straße entlang spazieren und sieht unter einer Laterne einen anderen Mann nach etwas suchen. Er fragt ihn: „Haben Sie etwas verloren?“ „Ja, meinen goldenen Ring.“ antwortet der Suchende. Der Spaziergänge sieht dem Suchenden seine Verzweiflung an und beschließt, ihm beim Suchen zu helfen. Nach einer Weile sagt er: „Ich kann hier Ihren Ring nicht finden, sind Sie sicher, dass Sie ihn genau hier verloren haben?“ „Nein“ sagt der Suchende. „Ich habe ihn dort weiter hinten verloren.“ Sehr erstaunt über diese Aussage fragt der Spaziergänge: „Warum suchen Sie Ihren Ring nicht dort, wo Sie ihn verloren haben?“ „Dort ist kein Licht, es ist ganz dunkel dort.“
Wenn du auch das Unwohlgefühl in dir spürst oder das Gefühl hast, dass in deinem Leben etwas fehlt oder du dir selber etwas vorenthältst, unterstütze ich dich gerne, deine Perlen im Schatten zu finden.
In meiner Arbeit unterstütze ich Menschen:
- die ihr inneres Kind besser verstehen wollen,
- die mit ihren Eltern Aussöhnung finden wollen,
- die den eigenen Schatten beleuchten wollen,
- die ihre authentische Kraft wieder spüren wollen,
- die ihre Bedürfnisse klar kommunizieren wollen,
- die ihr Leben wieder selber gestalten wollen,
- die wieder vollständig Ich-Selbst sein wollen.
Je lichter der eigene Schatten,
umso stärker der Mensch.